Universalsysteme in Pen-and-Paper-Rollenspielen: Ein umfassender Leitfaden

Universalsysteme in Pen-and-Paper-Rollenspielen: Ein umfassender Leitfaden

Was ist ein Universalsystem?

Ein Universalsystem, auch generisches System oder universelles Rollenspielsystem genannt, ist ein Regelwerk für Pen-and-Paper-Rollenspiele (P&P RPGs), das nicht auf ein bestimmtes Setting oder Genre festgelegt ist, sondern in verschiedenen Spielwelten und Szenarien eingesetzt werden kann. Im Gegensatz zu settingspezifischen Systemen, die auf eine bestimmte Welt oder ein bestimmtes Genre zugeschnitten sind (z. B. *Das Schwarze Auge* für Aventurien oder *Shadowrun* für Cyberpunk), bieten Universalsysteme einen flexiblen und anpassbaren Regelbaukasten, mit dem sich eine Vielzahl von Geschichten und Abenteuern umsetzen lässt.

Universalsysteme zeichnen sich in der Regel durch einen modularen Aufbau und eine breite Palette an Optionen aus, die es den Spielleitern und Spielern ermöglichen, die Regeln an ihre individuellen Bedürfnisse und Vorlieben anzupassen. Sie bieten oft generische Mechanismen für die Charaktererschaffung, die Aktionsauflösung, den Kampf und andere Spielelemente, die dann mit genrespezifischen oder settingspezifischen Inhalten und Regeln erweitert werden können.

Merkmale und Eigenschaften von Universalsystemen

Ein typisches Universalsystem weist die folgenden Merkmale auf:

  • Genreunabhängigkeit: Es ist nicht an ein bestimmtes Genre gebunden, sondern kann für Fantasy, Science-Fiction, Horror, historische Settings und viele andere Genres verwendet werden.
  • Settingneutralität: Es ist nicht an eine bestimmte Spielwelt gekoppelt, sondern bietet einen allgemeinen Rahmen, der mit verschiedenen Settings kompatibel ist oder für eigene Welten angepasst werden kann.
  • Modularität: Es besteht aus verschiedenen Modulen oder Regelbausteinen, die je nach Bedarf kombiniert, angepasst oder weggelassen werden können.
  • Anpassbarkeit: Es bietet viele Optionen und Stellschrauben, um die Regeln an die Vorlieben der Gruppe, den gewünschten Spielstil und die Besonderheiten des Settings anzupassen.
  • Flexibilität: Es ermöglicht es, Charaktere und Geschichten in einer Vielzahl von Welten und Szenarien zu spielen, ohne jedes Mal ein komplett neues Regelsystem lernen zu müssen.
  • Generische Konzepte: Es verwendet oft generische oder abstrakte Konzepte und Begriffe, die sich auf verschiedene Genres und Settings übertragen lassen, z. B. Attribute wie "Stärke" und "Intelligenz" anstelle von spezifischeren Bezeichnungen.

Vorteile von Universalsystemen

Die Verwendung eines Universalsystems bietet sowohl für Spielleiter als auch für Spieler einige Vorteile:

  • Zeitersparnis: Man muss nur ein einziges Regelsystem lernen und beherrschen, anstatt sich für jedes neue Genre oder Setting in ein neues System einarbeiten zu müssen.
  • Flexibilität: Man kann mit demselben System eine Vielzahl von Genres und Settings spielen und bei Bedarf zwischen verschiedenen Spielwelten wechseln, ohne die Regeln komplett neu lernen zu müssen.
  • Anpassbarkeit: Universalsysteme lassen sich leicht an die individuellen Bedürfnisse und Vorlieben der Gruppe anpassen. Man kann Regeln hinzufügen, weglassen oder modifizieren, um das gewünschte Spielerlebnis zu erzielen.
  • Kreativer Freiraum: Universalsysteme bieten oft mehr kreativen Freiraum bei der Charaktererschaffung und der Gestaltung der Spielwelt, da sie nicht an ein bestimmtes Setting oder eine bestimmte Klassenstruktur gebunden sind.
  • Vergleichbarkeit: Da die Charaktere und Spielwerte auf demselben Regelsystem basieren, lassen sie sich leichter zwischen verschiedenen Settings und Kampagnen vergleichen oder übertragen.
  • Kostenersparnis: Man muss nicht für jedes Genre oder Setting ein eigenes Regelwerk kaufen, sondern kann mit einem einzigen System viele verschiedene Spiele spielen.
  • Leichtere Spielpartnersuche: Da Universalsysteme oft weiter verbreitet und bekannter sind, kann es leichter sein, Mitspieler zu finden, die das System bereits kennen oder bereit sind, es zu lernen.

Nachteile von Universalsystemen

Trotz ihrer Vorteile haben Universalsysteme auch einige potenzielle Nachteile:

  • Mangel an Tiefe und Spezifität: Da Universalsysteme viele verschiedene Genres und Settings abdecken müssen, sind sie oft weniger detailliert und spezifisch als settingspezifische Systeme. Es kann ihnen an einzigartigen Regeln, Inhalten und Stimmungen fehlen, die auf ein bestimmtes Genre oder eine bestimmte Welt zugeschnitten sind.
  • Abstraktionsgrad: Um universell einsetzbar zu sein, müssen Universalsysteme oft einen höheren Abstraktionsgrad aufweisen, was dazu führen kann, dass sie sich weniger immersiv oder glaubwürdig anfühlen als spezifischere Systeme.
  • Anpassungsaufwand: Obwohl Universalsysteme anpassbar sind, erfordert es oft zusätzliche Arbeit und Kreativität von Seiten des Spielleiters, um das System an ein bestimmtes Setting anzupassen und mit Inhalten zu füllen.
  • Generische Atmosphäre: Manche Spieler kritisieren, dass Universalsysteme dazu neigen, eine eher generische und austauschbare Atmosphäre zu erzeugen, da sie nicht auf die Besonderheiten eines bestimmten Settings eingehen.
  • Komplexität: Einige Universalsysteme, wie z. B. *GURPS*, können sehr komplex und umfangreich sein, was Einsteiger abschrecken und den Spielfluss verlangsamen kann.
  • Fehlende Unterstützung: Für manche Settings oder Genres gibt es möglicherweise keine oder nur wenige offizielle oder qualitativ hochwertige Anpassungen des Universalsystems, so dass die Gruppe gezwungen ist, vieles selbst zu entwickeln.

Beispiele für Universalsysteme

Es gibt eine ganze Reihe von Universalsystemen, die sich in ihrem Ansatz, ihrer Komplexität und ihren Schwerpunkten unterscheiden. Einige der bekanntesten und einflussreichsten sind:

  • GURPS (Generic Universal RolePlaying System): Eines der ältesten und umfangreichsten Universalsysteme, das für seinen Detailreichtum, seinen modularen Aufbau und seinen Fokus auf Realismus bekannt ist. *GURPS* bietet eine Vielzahl von Regeln und Optionen für verschiedene Genres und Settings und wird von einer großen Sammlung an Quellenbüchern unterstützt.
  • Fate: Ein erzählerisches System, das auf Aspekten, Schicksalspunkten und einem einfachen Würfelmechanismus basiert. *Fate* ist sehr flexibel und anpassbar und legt großen Wert auf die gemeinsame Gestaltung der Geschichte und die Charakterentwicklung. Es gibt verschiedene Ausgaben des Spiels, darunter *Fate Core* und *Fate Accelerated Edition*.
  • Savage Worlds: Ein schnelles und actionorientiertes System, das den Slogan "Fast! Furious! Fun!" trägt. *Savage Worlds* verwendet ein System aus ansteigenden Würfeltypen und legt einen Schwerpunkt auf Kämpfe, Verfolgungsjagden und dramatische Szenen. Es gibt zahlreiche Settings, die dieses System nutzen, darunter *Deadlands*, *Rippers* und *East Texas University*.
  • Hero System: Ein punktbasiertes System, das ursprünglich für das Superhelden-Rollenspiel *Champions* entwickelt wurde, aber auch in anderen Genres eingesetzt werden kann. Es zeichnet sich durch einen hohen Grad an Anpassbarkeit und eine detaillierte Charaktererschaffung aus.
  • Basic Role-Playing (BRP): Ein Prozentwürfelsystem, das die Grundlage für viele Rollenspiele von Chaosium bildet, wie z. B. *Call of Cthulhu*, *RuneQuest* und *Stormbringer*. Es ist bekannt für seine einfachen und intuitiven Regeln und seinen Fokus auf Fertigkeiten.
  • Open d6: Ursprünglich als Grundlage für *Star Wars: The Roleplaying Game* und andere Spiele aus dem Hause West End Games, wurde dieses System quelloffen gemacht und für die Verwendung in verschiedenen Genres angepasst.
  • Fudge: Ein frühes, quelloffenes System, das die Grundlage für *Fate* bildete und sich durch seine Einfachheit und Anpassbarkeit auszeichnet.

Umgang mit verschiedenen Genres

Eine der größten Herausforderungen bei der Entwicklung und Verwendung von Universalsystemen ist es, die verschiedenen Genres und Settings angemessen abzubilden und zu unterstützen. Da Universalsysteme nicht auf ein bestimmtes Genre festgelegt sind, müssen sie Mechanismen und Optionen bieten, die es ermöglichen, die Besonderheiten und Stimmungen verschiedener Welten zu erfassen.

Einige Ansätze, die Universalsysteme verwenden, um mit verschiedenen Genres umzugehen, sind:

  • Modulare Regeln: Viele Universalsysteme bieten optionale Regeln oder Module an, die je nach Genre oder Setting ein- oder ausgeschaltet werden können. So könnte es z. B. spezielle Regeln für Magie, Cyberware, Superkräfte oder Raumschiffkämpfe geben, die nur in den entsprechenden Settings verwendet werden.
  • Generische Konzepte: Universalsysteme verwenden oft generische oder abstrakte Konzepte und Begriffe, die sich auf verschiedene Genres übertragen lassen. So könnte z. B. eine Fertigkeit wie "Nahkampf" sowohl für den Schwertkampf in einem Fantasy-Setting als auch für den waffenlosen Kampf in einem Martial-Arts-Setting verwendet werden.
  • Anpassbarkeit: Universalsysteme bieten oft viele Möglichkeiten, die Regeln und Mechaniken an die eigenen Bedürfnisse und Vorlieben anzupassen. So kann man z. B. eigene Fertigkeiten, Talente oder Ausrüstungsgegenstände erstellen, die zu einem bestimmten Setting passen.
  • Setting-spezifische Erweiterungen: Viele Universalsysteme haben spezielle Erweiterungen oder Quellenbücher, die zusätzliche Regeln, Inhalte und Optionen für bestimmte Genres oder Settings bieten. So gibt es z. B. für *GURPS* eigene Bände für Fantasy, Science-Fiction, Horror und viele andere Genres.
  • Fokus auf den Kernmechaniken: Manche Universalsysteme, wie z. B. *Fate*, konzentrieren sich auf einen einfachen und flexiblen Kernmechanismus, der in verschiedenen Genres eingesetzt werden kann, und überlassen es den Spielern und dem Spielleiter, die Details und die Ausgestaltung des Settings selbst zu entwickeln.

Anpassung und Erweiterung von Universalsystemen

Ein großer Vorteil von Universalsystemen ist ihre Anpassbarkeit und Erweiterbarkeit. Spielleiter und Spieler haben viele Möglichkeiten, das System an ihre individuellen Bedürfnisse, Vorlieben und Vorstellungen anzupassen:

  • Hausregeln: Man kann bestehende Regeln ändern, neue Regeln hinzufügen oder nicht benötigte Regeln weglassen, um das System an den eigenen Spielstil anzupassen.
  • Eigene Inhalte erstellen: Man kann eigene Fertigkeiten, Talente, Zaubersprüche, Ausrüstungsgegenstände, Monster oder andere Spielelemente entwerfen, die zu einem bestimmten Setting oder Genre passen.
  • Setting-spezifische Anpassungen: Man kann das Universalsystem an ein bestimmtes Setting anpassen, indem man z. B. neue Regeln für Magie, Technologie oder besondere Fähigkeiten einführt, die in dieser Welt existieren.
  • Kombination mit anderen Systemen: Man kann Elemente aus verschiedenen Systemen miteinander kombinieren, um ein individuelles Hybridsystem zu erschaffen, das die besten Aspekte verschiedener Ansätze vereint.
  • Entwicklung eigener Settings: Universalsysteme eignen sich hervorragend als Grundlage für die Entwicklung eigener Spielwelten und Settings, da sie einen flexiblen Rahmen bieten, der mit eigenen Inhalten und Ideen gefüllt werden kann.

Bei der Anpassung und Erweiterung von Universalsystemen sollte man jedoch darauf achten, die Balance und die innere Konsistenz des Spiels nicht zu gefährden. Neue Regeln und Inhalte sollten gut durchdacht, mit der Gruppe abgesprochen und ausgiebig getestet werden, bevor man sie in einer laufenden Kampagne einsetzt.

Tipps für die Verwendung von Universalsystemen

Hier sind einige allgemeine Tipps für Spielleiter und Spieler, die mit Universalsystemen arbeiten:

Für Spielleiter:

  • Wähle das richtige System: Informiere dich über verschiedene Universalsysteme und wähle dasjenige aus, das am besten zu deinem gewünschten Spielstil, Genre und Setting passt.
  • Mache dich mit den Regeln vertraut: Auch wenn Universalsysteme oft modular aufgebaut sind, solltest du die Grundregeln und die wichtigsten Konzepte des Systems gut kennen, bevor du mit dem Spiel beginnst.
  • Nutze die Anpassungsmöglichkeiten: Scheue dich nicht, die Regeln anzupassen, eigene Inhalte zu erstellen oder optionale Module hinzuzufügen, um das System an deine Bedürfnisse anzupassen.
  • Sei konsistent: Wenn du eigene Regeln oder Anpassungen einführst, achte darauf, dass sie in sich stimmig sind und zu den bestehenden Regeln passen. Dokumentiere alle Änderungen und kommuniziere sie klar an deine Spieler.
  • Fördere die Kreativität der Spieler: Ermutige die Spieler, eigene Ideen für Charaktere, Fähigkeiten oder Ausrüstungsgegenstände einzubringen und an der Gestaltung der Spielwelt mitzuwirken.
  • Nutze Quellenbücher und Erweiterungen: Viele Universalsysteme bieten spezielle Quellenbücher und Erweiterungen für verschiedene Genres oder Settings an. Nutze diese als Inspirationsquelle und als Grundlage für deine Kampagne.
  • Achte auf die Balance: Sei dir bewusst, dass nicht alle Optionen und Kombinationen in einem Universalsystem gleich gut ausbalanciert sind. Achte darauf, dass die selbst erstellten Inhalte oder die Auswahl der Spieler das Spielgleichgewicht nicht zu sehr stören.

Für Spieler:

  • Kenne deine Optionen: Mache dich mit den verschiedenen Optionen und Möglichkeiten vertraut, die das Universalsystem für die Erschaffung und Entwicklung deines Charakters bietet.
  • Experimentiere: Probiere verschiedene Charakterkonzepte, Fertigkeitenkombinationen und Spielstile aus, um herauszufinden, was dir am meisten Spaß macht.
  • Sprich mit deinem Spielleiter: Tausche dich mit deinem Spielleiter über deine Ideen und Vorstellungen für deinen Charakter aus und bitte um Feedback.
  • Nutze die Freiheiten: Genieße die Freiheiten, die dir ein Universalsystem bietet, und erschaffe einen einzigartigen und individuellen Charakter, der zu dir und deinem Spielstil passt.
  • Sei offen für Anpassungen: Sei bereit, deinen Charakter oder deine Spielweise anzupassen, wenn sich die Bedürfnisse der Gruppe oder die Anforderungen des Settings ändern.
  • Bringe eigene Ideen ein: Wenn du eine Idee für eine neue Fertigkeit, ein neues Talent, einen neuen Gegenstand oder eine andere Regeloption hast, die gut zu deinem Charakter und dem Setting passt, sprich mit deinem Spielleiter darüber und bringe deine Vorschläge ein.
  • Achte auf die Spielbalance: Auch wenn Universalsysteme viele Freiheiten bieten, solltest du darauf achten, dass dein Charakter nicht zu mächtig oder zu unausgewogen wird. Sprich mit deinem Spielleiter, wenn du dir unsicher bist, ob eine bestimmte Kombination oder ein bestimmtes Konzept zu stark ist.

Fazit

Universalsysteme sind eine faszinierende und vielseitige Sparte der Pen-and-Paper-Rollenspiele. Sie bieten Flexibilität, Anpassbarkeit und kreativen Freiraum in einem Maße, wie es settingspezifische Systeme oft nicht können. Mit einem einzigen Regelwerk lassen sich Abenteuer in den unterschiedlichsten Genres und Welten erleben, von klassischer Fantasy über Science-Fiction und Horror bis hin zu historischen oder ganz eigenen Szenarien. Universalsysteme ermutigen Spielleiter und Spieler dazu, eigene Inhalte zu erschaffen, die Regeln an ihre Bedürfnisse anzupassen und ihre ganz eigenen Geschichten zu erschaffen. Ob man nun ein Fan von detaillierten, simulationslastigen Systemen wie *GURPS* ist, narrative und charakterfokussierte Spiele wie *Fate* bevorzugt oder die actionbetonte Rasanz von *Savage Worlds* schätzt, die Welt der Universalsysteme hat für jeden Geschmack etwas zu bieten.

Gleichzeitig erfordern Universalsysteme aber auch ein gewisses Maß an Engagement, Kreativität und Eigeninitiative von Spielleitern und Spielern. Sie sind kein Selbstläufer, sondern eher ein Werkzeugkasten, mit dem man seine eigenen Spielerfahrungen gestalten kann. Wer bereit ist, diese Herausforderung anzunehmen, wird mit einer beispiellosen Freiheit und Flexibilität belohnt, die es ermöglicht, die Grenzen des eigenen Rollenspiel-Hobbys immer wieder neu auszuloten und zu erweitern.