Erfolgsgrade in Pen-and-Paper-Rollenspielen: Ein umfassender Leitfaden
Was sind Erfolgsgrade?
In vielen Pen-and-Paper-Rollenspielen (P&P RPGs) reicht es nicht aus, einfach nur festzustellen, ob eine Aktion erfolgreich ist oder nicht. Oft ist es auch wichtig, *wie gut* eine Aktion gelingt oder *wie knapp* sie scheitert. Hier kommen Erfolgsgrade ins Spiel. Erfolgsgrade, auch bekannt als Erfolgsstufen oder Qualitätsstufen, sind eine Möglichkeit, das Ergebnis einer Probe oder eines Wurfs zu differenzieren und über ein einfaches "Erfolg oder Misserfolg" hinauszugehen. Sie geben an, wie gut oder schlecht etwas gelungen ist und welche Auswirkungen dies auf das Spiel hat.
Ermittlung von Erfolgsgraden
Es gibt verschiedene Methoden, um Erfolgsgrade zu ermitteln. Die gebräuchlichsten sind:
- Vergleich mit Zielwert: Bei dieser Methode wird das Ergebnis einer Probe (z.B. ein Würfelwurf plus Modifikatoren) mit einem Zielwert verglichen. Je nachdem, wie weit das Ergebnis über oder unter dem Zielwert liegt, wird der Erfolgsgrad bestimmt.
- Beispiel: Ein Wurf von 1-5 über dem Zielwert könnte einen Teilerfolg darstellen, ein Wurf von 6-10 darüber einen vollen Erfolg und ein Wurf von 11 oder mehr einen außergewöhnlichen Erfolg.
- Anzahl der Erfolge: In Systemen mit Würfelpools (z.B. *Shadowrun*, *World of Darkness*) zählt man die Anzahl der Würfel, die einen bestimmten Wert erreichen oder überschreiten (Erfolge). Je mehr Erfolge erzielt werden, desto höher ist der Erfolgsgrad.
- Beispiel: 1-2 Erfolge könnten einen Teilerfolg darstellen, 3-4 Erfolge einen vollen Erfolg und 5 oder mehr Erfolge einen außergewöhnlichen Erfolg.
- Kritische Erfolge/Misserfolge: Viele Systeme kennen kritische Erfolge (meist bei einem maximalen Würfelergebnis) und kritische Misserfolge oder Patzer (meist bei einem minimalen Würfelergebnis). Diese stellen automatische Erfolge bzw. Misserfolge dar, oft mit besonderen Auswirkungen.
- Margin of Success/Failure: Einige Systeme berechnen die Differenz zwischen dem Ergebnis der Probe und dem Zielwert (den sogenannten "Margin of Success" oder "Margin of Failure") und verwenden diesen Wert, um den Erfolgsgrad zu bestimmen.
Beispiele für Erfolgsgrade
Hier sind einige Beispiele, wie Erfolgsgrade in einem Spiel aussehen könnten:
- Scheitern/Misserfolg: Die Aktion ist komplett misslungen und hat keine positiven Auswirkungen. Möglicherweise treten sogar negative Konsequenzen ein.
- Teilerfolg/Erfolg mit Komplikationen: Die Aktion ist teilweise gelungen, hat aber nicht den gewünschten Effekt oder es treten unerwünschte Nebenwirkungen auf. Der Charakter erreicht sein Ziel, muss aber einen Preis dafür zahlen oder einen Nachteil in Kauf nehmen.
- Voller Erfolg: Die Aktion ist gelungen und hat die gewünschten Auswirkungen. Der Charakter erreicht sein Ziel ohne Komplikationen.
- Außergewöhnlicher Erfolg/Kritischer Erfolg: Die Aktion ist nicht nur gelungen, sondern besonders gut ausgeführt. Der Charakter erzielt einen zusätzlichen Vorteil, richtet mehr Schaden an, benötigt weniger Zeit oder erzielt einen anderen positiven Effekt.
Erfolgsgrade in verschiedenen Systemen
Verschiedene Rollenspielsysteme verwenden unterschiedliche Ansätze für Erfolgsgrade:
- Dungeons & Dragons (5. Edition): Verwendet in erster Linie ein System aus Erfolg/Misserfolg, kennt aber auch kritische Treffer im Kampf, die mehr Schaden verursachen.
- Pathfinder: Nutzt ein ähnliches System wie D&D, bietet aber in der zweiten Edition auch kritische Misserfolge an, sowie vier Erfolgsgrade: Kritischer Erfolg, Erfolg, Misserfolg, kritischer Misserfolg.
- Das Schwarze Auge: Kennt verschiedene Qualitätsstufen, die von der Anzahl der bei einer Probe nicht verbrauchten Fertigkeitspunkte abhängen.
- Shadowrun: Verwendet ein System mit Erfolgen, bei dem die Anzahl der Erfolge den Grad des Erfolgs bestimmt.
- Fate: Nutzt ein System mit "+", "-" und leeren Würfelseiten, bei dem die Anzahl der "+" über Erfolg oder Misserfolg entscheidet und zusätzliche "+" einen größeren Erfolg bedeuten.
- Apocalypse World: Kennt die Grade "Voller Erfolg", "Teilerfolg" und "Misserfolg", die durch einen Wurf mit 2W6 plus relevantem Attribut ermittelt werden.
Auswirkungen von Erfolgsgraden im Spiel
Erfolgsgrade haben verschiedene Auswirkungen auf das Spiel:
- Differenziertere Ergebnisse: Sie ermöglichen differenziertere Ergebnisse als ein einfaches "Erfolg oder Misserfolg"-System und tragen so zu einem realistischeren und nuancierteren Spielgefühl bei.
- Mehr Entscheidungsspielraum: Erfolgsgrade geben den Spielern mehr Möglichkeiten, Risiken einzugehen und den Grad ihres Erfolgs zu beeinflussen. Sie können z. B. entscheiden, ob sie auf Nummer sicher gehen oder einen Teilerfolg riskieren, um einen größeren Erfolg zu erzielen.
- Interessantere Kämpfe: Im Kampf können Erfolgsgrade zu abwechslungsreicheren und dynamischeren Gefechten führen, da sie z. B. Auswirkungen auf den Schaden, die Positionierung oder den Status von Charakteren haben können.
- Motivation der Spieler: Das Erreichen eines besonders guten Ergebnisses kann für die Spieler sehr befriedigend sein und sie motivieren, ihre Fähigkeiten weiter zu verbessern.
- Erzählerische Vielfalt: Erfolgsgrade bieten mehr erzählerische Möglichkeiten. Ein Teilerfolg kann z. B. zu einer interessanten Komplikation führen, die die Geschichte in eine neue Richtung lenkt, während ein außergewöhnlicher Erfolg einen Wendepunkt im Abenteuer markieren kann.
Vorteile von Erfolgsgraden
Die Verwendung von Erfolgsgraden bietet einige Vorteile:
- Realismus: Erfolgsgrade spiegeln die Tatsache wider, dass Aktionen im wirklichen Leben selten nur schwarz oder weiß, erfolgreich oder gescheitert sind. Es gibt oft Abstufungen und Nuancen.
- Spannung: Sie können die Spannung erhöhen, da die Spieler nicht immer sicher sein können, ob eine Aktion vollständig gelingen wird oder ob es Komplikationen geben wird.
- Flexibilität: Erfolgsgrade geben dem Spielleiter mehr Flexibilität bei der Gestaltung von Herausforderungen und der Beschreibung von Ergebnissen.
- Spieltiefe: Sie tragen zur Spieltiefe bei, indem sie mehr Möglichkeiten für taktische Entscheidungen und die Entfaltung der Charaktere bieten.
- Differenziertere Charakterdarstellung: Durch Erfolgsgrade können Unterschiede in den Fähigkeiten und der Expertise von Charakteren besser dargestellt werden.
Nachteile von Erfolgsgraden
Erfolgsgrade haben aber auch potenzielle Nachteile:
- Komplexität: Die Einführung von Erfolgsgraden kann die Regeln komplexer und schwerer zu erlernen machen.
- Verlangsamung des Spiels: Das Ermitteln und Interpretieren von Erfolgsgraden kann mehr Zeit in Anspruch nehmen als ein einfaches Erfolg/Misserfolg-System.
- Analyse-Paralyse: Manche Spieler neigen dazu, zu lange über die optimale Vorgehensweise nachzudenken, um den bestmöglichen Erfolgsgrad zu erzielen. Dies kann das Spiel verlangsamen und den Spielfluss stören.
- Interpretationsspielraum: Die genaue Bedeutung von Teilerfolgen oder außergewöhnlichen Erfolgen kann manchmal unklar sein und zu Diskussionen am Spieltisch führen.
Fazit
Erfolgsgrade sind ein nützliches Werkzeug in vielen Pen-and-Paper-Rollenspielen, um die Ergebnisse von Aktionen differenzierter und interessanter zu gestalten. Sie bieten mehr als nur ein binäres "Erfolg oder Misserfolg" und tragen so zu einem realistischeren, spannenderen und vielschichtigeren Spielerlebnis bei. Ob und wie Erfolgsgrade eingesetzt werden, hängt vom jeweiligen System, den Vorlieben der Spielgruppe und dem gewünschten Spielstil ab. Richtig eingesetzt, können sie jedoch eine große Bereicherung für das Spiel sein und zu unvergesslichen Momenten am Spieltisch führen.