Ausrichtung in Pen-and-Paper-Rollenspielen

Erfahre alles über das Konzept der Ausrichtung (Gesinnung) in Pen-and-Paper-Rollenspielen (P&P RPGs). Welche Ausrichtungen gibt es, wie beeinflussen sie das Spiel und welche Kritik gibt es an diesem Konzept?

Was ist Ausrichtung?

Die Ausrichtung, in manchen Systemen auch Gesinnung genannt, ist ein Konzept in einigen Pen-and-Paper-Rollenspielen (P&P RPGs), das die grundlegende moralische und ethische Einstellung eines Charakters beschreibt. Sie dient als grobe Richtlinie für das Verhalten und die Entscheidungen des Charakters und kann auch Auswirkungen auf die Spielmechanik haben. Das bekannteste und am weitesten verbreitete Ausrichtungssystem ist das von *Dungeons & Dragons* (D&D), aber auch andere Systeme verwenden ähnliche Konzepte.

Das Ausrichtungssystem in Dungeons & Dragons

In D&D basiert die Ausrichtung auf zwei Achsen: Rechtschaffenheit (Lawful) vs. Chaos (Chaotic) und Gut (Good) vs. Böse (Evil). Daraus ergeben sich neun mögliche Kombinationen:

  • Rechtschaffen Gut (Lawful Good): Charaktere dieser Ausrichtung glauben an Ordnung, Disziplin und das Befolgen von Regeln. Sie setzen sich für das Gute ein und bekämpfen das Böse, allerdings im Rahmen eines festen Moralkodexes. Beispiele: Paladine, edle Ritter.
  • Neutral Gut (Neutral Good): Diese Charaktere tun das Gute, ohne sich dabei streng an Gesetze oder Regeln zu halten. Sie sind bereit, Regeln zu brechen, wenn es dem Wohl anderer dient. Beispiele: Barmherzige Samariter, Robin Hood.
  • Chaotisch Gut (Chaotic Good): Diese Charaktere glauben an das Gute und die Freiheit des Einzelnen. Sie lehnen starre Regeln und Autoritäten ab und sind bereit, für ihre Überzeugungen zu kämpfen, auch wenn sie dabei Gesetze brechen müssen. Beispiele: Rebellen, Freiheitskämpfer.
  • Rechtschaffen Neutral (Lawful Neutral): Charaktere dieser Ausrichtung folgen strengen Regeln, Gesetzen oder einem persönlichen Kodex, ohne dabei unbedingt Gut oder Böse zu sein. Sie glauben an Ordnung und Disziplin als Selbstzweck. Beispiele: Unbestechliche Richter, loyale Soldaten.
  • Neutral (True Neutral): Diese Charaktere stehen zwischen den Extremen von Gut und Böse sowie Rechtschaffenheit und Chaos. Sie versuchen, ein Gleichgewicht zu halten oder folgen nur ihren eigenen Interessen. Beispiele: Einsiedler, Druiden, neutrale Händler.
  • Chaotisch Neutral (Chaotic Neutral): Diese Charaktere schätzen ihre persönliche Freiheit über alles und lehnen Regeln und Autoritäten ab. Sie handeln spontan und unvorhersehbar, ohne sich um die Konsequenzen zu kümmern. Beispiele: Freigeister, Unruhestifter, manche Barden.
  • Rechtschaffen Böse (Lawful Evil): Diese Charaktere nutzen Regeln und Ordnung für ihre eigenen egoistischen und oft grausamen Ziele. Sie sind die Tyrannen, die Unterdrücker und die skrupellosen Herrscher. Beispiele: Diktatoren, machthungrige Adlige, Teufel.
  • Neutral Böse (Neutral Evil): Diese Charaktere tun alles, was ihnen gerade passt, ohne Rücksicht auf Recht und Ordnung oder das Leid anderer. Sie sind egoistisch und nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Beispiele: Skrupellose Söldner, gerissene Verbrecher.
  • Chaotisch Böse (Chaotic Evil): Diese Charaktere sind die Verkörperung von Zerstörung und Chaos. Sie handeln grausam, willkürlich und ohne Rücksicht auf Verluste. Beispiele: Wahnsinnige Kultisten, Dämonen, zerstörungswütige Monster.

Ausrichtung in anderen Systemen

Während das D&D-System mit seinen neun Ausrichtungen am bekanntesten ist, verwenden auch andere Rollenspiele ähnliche Konzepte:

  • Pathfinder: Verwendet das gleiche Ausrichtungssystem wie D&D.
  • Das Schwarze Auge: Hat kein festes Ausrichtungssystem, aber die Praios-Kirche, die für Recht und Ordnung steht, spielt eine wichtige Rolle und es gibt regeltechnische Vor- und Nachteile für den Verstoß gegen ihren Kodex.
  • Warhammer Fantasy Roleplay: Kennt die Konzepte von Ordnung und Chaos, die die Welt und ihre Bewohner beeinflussen.
  • Shadowrun: Verwendet kein Ausrichtungssystem, aber die moralischen Entscheidungen der Charaktere haben Konsequenzen und beeinflussen ihren Ruf in der Spielwelt.
  • World of Darkness: Die Spiele der *World of Darkness* haben Moralsysteme, welche die Menschlichkeit der Charaktere und deren Bezug zu ihren Taten abbilden.

Die Bedeutung von Ausrichtung für das Rollenspiel

Die Ausrichtung eines Charakters kann verschiedene Auswirkungen auf das Spiel haben:

  • Rollenspielhilfe: Die Ausrichtung dient als grobe Richtlinie für das Verhalten und die Entscheidungen des Charakters. Sie hilft dem Spieler, sich in die Rolle hineinzuversetzen und konsistent zu handeln.
  • Konfliktpotenzial: Charaktere mit unterschiedlichen Ausrichtungen können aneinandergeraten, wenn ihre moralischen Vorstellungen und Ziele in Konflikt stehen. Dies kann zu interessanten und spannenden Spielsituationen führen.
  • Spielmechanische Auswirkungen: In einigen Systemen hat die Ausrichtung auch direkte Auswirkungen auf die Spielmechanik. So können z. B. bestimmte Zaubersprüche oder magische Gegenstände nur von Charakteren einer bestimmten Ausrichtung verwendet werden. Oder der Charakter verliert gewisse Vorzüge, wenn er gegen seine Ausrichtung handelt.
  • Belohnungen und Bestrafungen: Manche Spielleiter belohnen Spieler, die ihre Charaktere entsprechend ihrer Ausrichtung spielen, z. B. mit Erfahrungspunkten oder anderen Vorteilen. Umgekehrt können Charaktere, die gegen ihre Ausrichtung handeln, mit negativen Konsequenzen rechnen müssen.

Kritik am Ausrichtungssystem

Das Ausrichtungssystem, insbesondere in der Form, wie es in D&D verwendet wird, ist nicht unumstritten. Einige Kritikpunkte sind:

  • Zu vereinfachend: Kritiker bemängeln, dass die Einteilung in neun feste Kategorien zu grob und zu vereinfachend ist, um die Komplexität menschlichen (oder auch elfischen, zwergischen, etc.) Verhaltens abzubilden.
  • Schubladendenken: Das Ausrichtungssystem kann dazu verleiten, Charaktere in Schubladen zu stecken und sie auf ihre Ausrichtung zu reduzieren, anstatt sie als vielschichtige Individuen zu betrachten.
  • Einschränkend: Manche Spieler empfinden die Ausrichtung als einengend und fühlen sich in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt.
  • Diskussionspotenzial: Die Interpretation und Anwendung der Ausrichtungen kann zu Diskussionen und Streit am Spieltisch führen, da es oft unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, was z. B. "chaotisch gut" oder "rechtschaffen böse" genau bedeutet.
  • Problematische Implikationen: In der Vergangenheit wurde kritisiert, dass das Ausrichtungssystem in D&D problematische Konzepte wie "gute" und "böse" Völker reproduziert. In neueren Editionen versucht man, diese Problematik zu entschärfen.

Alternativen zur Ausrichtung

Aufgrund der genannten Kritikpunkte haben einige Rollenspielsysteme alternative Konzepte entwickelt, um die moralische und ethische Einstellung von Charakteren zu beschreiben:

  • Ideale, Bindungen, Makel: In der 5. Edition von *D&D* gibt es neben der Ausrichtung auch die Konzepte der Ideale, Bindungen und Makel, die die Persönlichkeit und die Motivationen eines Charakters detaillierter beschreiben sollen.
  • Motivationen und Ziele: Manche Systeme verzichten ganz auf eine explizite Ausrichtung und konzentrieren sich stattdessen auf die individuellen Motivationen und Ziele der Charaktere.
  • Tugenden und Laster: Einige Spiele verwenden ein System von Tugenden und Lastern, die das Verhalten des Charakters leiten und ihm Vor- oder Nachteile verschaffen können.
  • Beziehungen und Loyalitäten: In manchen Systemen stehen die Beziehungen des Charakters zu anderen Personen, Gruppen oder Organisationen im Vordergrund. Seine Loyalitäten und Verpflichtungen bestimmen dann sein Handeln.

Fazit

Die Ausrichtung ist ein Konzept, das in vielen Pen-and-Paper-Rollenspielen eine Rolle spielt, aber unterschiedlich stark gewichtet und ausgelegt wird. Sie kann eine nützliche Hilfestellung für das Rollenspiel und die Charakterentwicklung sein, sollte aber nicht als starres Korsett betrachtet werden. Letztlich ist es wichtiger, einen interessanten und vielschichtigen Charakter zu spielen, als sich sklavisch an eine bestimmte Kategorie zu halten. Ob und wie man das Konzept der Ausrichtung im Spiel verwendet, bleibt jeder Spielrunde selbst überlassen. Wichtig ist, dass sich alle Spieler und der Spielleiter darüber einig sind, wie sie damit umgehen wollen, um Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden.