Pool-Systeme in Pen-and-Paper-Rollenspielen: Ein umfassender Leitfaden

Pool-Systeme in Pen-and-Paper-Rollenspielen: Ein umfassender Leitfaden

Was ist ein Pool-System?

Ein Pool-System, auch Würfelpool-System genannt, ist eine Art von Spielmechanik in Pen-and-Paper-Rollenspielen (P&P RPGs), bei der eine bestimmte Anzahl von Würfeln (der sogenannte Pool) geworfen wird, um den Erfolg oder Misserfolg einer Aktion zu bestimmen. Im Gegensatz zu Systemen, die nur einen einzelnen Würfel für eine Probe verwenden (z. B. das d20-System), basieren Pool-Systeme auf der Summe der Erfolge, die mit einer variablen Anzahl von Würfeln erzielt werden. Die Größe des Pools, also die Anzahl der zu werfenden Würfel, hängt in der Regel von den Attributen, Fertigkeiten oder anderen Eigenschaften des Charakters ab.

Grundprinzip und Funktionsweise

Obwohl die genauen Regeln und Details von System zu System variieren, folgen die meisten Pool-Systeme einem ähnlichen Grundprinzip:

  1. Pool-Größe bestimmen: Zuerst wird die Größe des Würfelpools bestimmt. Diese ergibt sich in der Regel aus der Kombination von Attributen, Fertigkeiten und/oder anderen relevanten Faktoren. Ein Charakter mit hoher Geschicklichkeit und guter Ausbildung im Bogenschießen hätte z. B. einen größeren Pool für Fernkampfangriffe als ein ungeübter Charakter.
  2. Würfeln: Der Spieler wirft die entsprechende Anzahl von Würfeln. Meistens werden sechsseitige (W6) oder zehnseitige (W10) Würfel verwendet, aber es gibt auch Systeme mit anderen Würfeltypen.
  3. Erfolge zählen: Je nach System werden die Würfel gezählt, die einen bestimmten Zielwert erreichen oder überschreiten (z. B. jede 4, 5 oder 6 auf einem W6) oder es werden bestimmte Würfelergebnisse als Erfolge gewertet (z.B. gerade Zahlen oder Augenzahlen über dem Attributswert). Die Anzahl dieser Erfolge bestimmt den Ausgang der Aktion.
  4. Schwierigkeit ermitteln: Die Schwierigkeit der Aktion wird oft durch die Anzahl der benötigten Erfolge oder durch einen festen Zielwert ausgedrückt. Je schwieriger die Aufgabe, desto mehr Erfolge sind erforderlich.
  5. Ergebnis interpretieren: Anhand der erzielten Erfolge und der Schwierigkeit der Aktion bestimmt der Spielleiter den Ausgang. Oft gibt es verschiedene Grade von Erfolg oder Misserfolg, die vom Verhältnis zwischen erzielten Erfolgen und benötigten Erfolgen abhängen.

Ein Beispiel aus *Shadowrun*: Ein Charakter mit Geschicklichkeit 4 und der Fertigkeit Pistolen 3 würde einen Pool von 7 Würfeln (4+3) verwenden, um einen Schuss mit einer Pistole abzugeben. Der Spieler würfelt dann 7W6 und zählt jede gewürfelte 5 oder 6 als Erfolg.

Variationen und Abwandlungen

Es gibt viele Variationen und Abwandlungen des Pool-Systems, die sich in bestimmten Details unterscheiden. Einige Beispiele sind:

  • Unterschiedliche Zielwerte: In manchen Systemen ist der Zielwert für einen Erfolg fest (z. B. immer 5+), in anderen kann er je nach Situation oder Schwierigkeit variieren.
  • Explodierende Würfel: Einige Systeme erlauben es, dass Würfel "explodieren", d. h. dass bei einem maximalen Ergebnis (z. B. eine 6 auf einem W6) erneut gewürfelt und das Ergebnis addiert wird.
  • Kritische Erfolge/Misserfolge: Manche Pool-Systeme haben Regeln für kritische Erfolge (z. B. wenn eine bestimmte Anzahl von maximalen Ergebnissen gewürfelt wird) oder kritische Misserfolge/Patzer (z. B. wenn eine bestimmte Anzahl von minimalen Ergebnissen gewürfelt wird).
  • Gegnerische Proben: Bei Aktionen, die sich gegen einen anderen Charakter richten, können beide Parteien einen Würfelpool werfen und die Erfolge vergleichen, um den Ausgang zu bestimmen.
  • Schwierigkeitsgrade: Die Schwierigkeit einer Aktion kann nicht nur durch die Anzahl der benötigten Erfolge, sondern auch durch Modifikatoren auf den Zielwert oder die Anzahl der Würfel ausgedrückt werden.
  • Stufenerfolge: Manche Systeme unterscheiden verschiedene Grade von Erfolg oder Misserfolg, je nachdem, wie viele Erfolge erzielt wurden oder wie weit man das Ziel verfehlt hat.

Beispiele für Pool-Systeme in bekannten P&P RPGs

Hier sind einige Beispiele für Rollenspielsysteme, die ein Pool-System verwenden:

  • Shadowrun: Verwendet einen W6-Pool, bei dem jede 5 oder 6 einen Erfolg zählt. Die Anzahl der Würfel ergibt sich aus der Kombination von Attributen und Fertigkeiten.
  • World of Darkness: Nutzt einen W10-Pool, wobei Erfolge in der Regel ab einem Ergebnis von 8 oder höher gezählt werden (die Schwierigkeit kann variieren). Auch hier setzt sich der Pool aus Attributen und Fertigkeiten zusammen.
  • Earthdawn: Verwendet ein System mit verschiedenen Würfeltypen, bei dem die Größe des Pools und die Art der Würfel von den Fertigkeiten und der Situation abhängen.
  • Legend of the Five Rings: Nutzt ein "Roll and Keep"-System mit W10, bei dem eine bestimmte Anzahl an Würfeln geworfen und die besten behalten werden.
  • Burning Wheel: Verwendet einen W6-Pool, bei dem Erfolge ab einer 4, 5 oder 6 zählen, je nach Schwierigkeit und anderen Faktoren.

Vorteile von Pool-Systemen

Pool-Systeme haben einige Vorteile gegenüber anderen Arten von Spielmechaniken:

  • Feinere Abstufungen: Durch die Verwendung von Würfelpools lassen sich feinere Abstufungen von Erfolg und Misserfolg darstellen als mit einem einzelnen Würfelwurf.
  • Skalierbarkeit: Pool-Systeme skalieren gut mit der Macht und den Fähigkeiten der Charaktere. Je besser ein Charakter in etwas ist, desto mehr Würfel kann er verwenden, was die Erfolgschancen erhöht.
  • Weniger "Alles oder Nichts": Bei einem Pool-System ist es weniger wahrscheinlich, dass eine einzelne Aktion komplett scheitert, da oft zumindest einige Erfolge erzielt werden.
  • Taktische Entscheidungen: Manche Pool-Systeme erlauben es den Spielern, Entscheidungen darüber zu treffen, wie sie ihre Würfel einsetzen oder wie sie auf bestimmte Ergebnisse reagieren, was zu interessanten taktischen Überlegungen führen kann.
  • Intuitives Gefühl: Viele Spieler empfinden es als intuitiv befriedigend, eine Handvoll Würfel zu werfen und die Erfolge zu zählen.
  • Wahrscheinlichkeitsverteilung: Anders als bei einzelnen Würfelwürfen, ist die Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis zu erzielen, nicht gleichverteilt, sonder nähert sich bei größeren Pools einer Glockenkurve an.

Nachteile von Pool-Systemen

Pool-Systeme haben aber auch einige potenzielle Nachteile:

  • Würfelmenge: Bei hohen Werten können sehr viele Würfel benötigt werden, was unhandlich sein kann und Platz am Spieltisch erfordert.
  • Zählen von Erfolgen: Das Zählen der Erfolge kann, insbesondere bei großen Pools, zeitaufwändig sein und den Spielfluss verlangsamen.
  • Komplexität: Manche Pool-Systeme haben komplexe Regeln für die Ermittlung der Pool-Größe, die Modifikation von Würfen oder die Auswertung der Ergebnisse, was Einsteiger überfordern kann.
  • Schwierigkeitsgrad einschätzen: Für unerfahrene Spieler kann es schwierig sein, die Erfolgschancen bei einem Pool-System intuitiv einzuschätzen.
  • "Tote Würfel": In manchen Systemen gibt es die Möglichkeit, dass ein Teil der geworfenen Würfel, aufgrund der Regeln, keinen Einfluss auf das Ergebnis hat. Dies kann sich für die Spieler unbefriedigend anfühlen.

Tipps für das Spielen mit Pool-Systemen

Hier sind einige Tipps für Spieler und Spielleiter, die mit Pool-Systemen arbeiten:

Für Spieler:

  • Verstehe die Regeln: Mache dich mit den Regeln für die Pool-Bildung, das Zählen von Erfolgen und die Modifikation von Würfen in deinem System vertraut.
  • Optimiere deinen Pool: Wähle bei der Charaktererschaffung und -entwicklung Attribute, Fertigkeiten und Talente, die gut zusammenpassen und dir erlauben, große Pools zu bilden.
  • Kenne deine Chancen: Versuche, ein Gefühl für die Wahrscheinlichkeiten in deinem System zu entwickeln. Wie viele Erfolge brauchst du im Schnitt für eine bestimmte Aufgabe? Wie groß ist die Chance, diese mit deinem aktuellen Pool zu erreichen?
  • Nutze deine Vorteile: Setze in Kämpfen und anderen Situationen die Stärken deines Charakters und deines Pools gezielt ein.
  • Sei kreativ: Überlege dir alternative Einsatzmöglichkeiten für deine Fertigkeiten und suche nach Wegen, die Pool-Mechanik zu deinem Vorteil zu nutzen.

Für Spielleiter:

  • Erkläre die Regeln: Stelle sicher, dass alle Spieler die Regeln für die Pool-Bildung und das Zählen von Erfolgen verstanden haben.
  • Setze angemessene Schwierigkeiten: Wähle Schwierigkeitsgrade, die zu den Fähigkeiten der Charaktere und der Situation passen. Berücksichtige dabei die durchschnittliche Pool-Größe der Charaktere.
  • Nutze Modifikatoren: Verwende situationsbedingte Modifikatoren, um besondere Umstände oder Schwierigkeiten widerzuspiegeln. Dies kann die Anzahl der Würfel im Pool oder den Zielwert für Erfolge betreffen.
  • Halte das Spiel flüssig: Hilf den Spielern, ihre Erfolge schnell zu zählen und zu interpretieren, um den Spielfluss nicht zu sehr zu unterbrechen.
  • Beschreibe die Ergebnisse anschaulich: Beschreibe die Ergebnisse von Proben nicht nur als Erfolg oder Misserfolg, sondern gehe auf die Anzahl der erzielten Erfolge ein und schildere, wie gut oder schlecht eine Aktion gelungen ist.

Fazit

Pool-Systeme sind eine interessante und vielseitige Alternative zu traditionellen Würfelmechaniken in Pen-and-Paper-Rollenspielen. Sie bieten oft feinere Abstufungen von Erfolg und Misserfolg, skalieren gut mit den Fähigkeiten der Charaktere und können zu einem intuitiven und befriedigenden Spielerlebnis beitragen. Allerdings sind sie nicht für jeden Spieler und jede Gruppe geeignet, da sie auch Nachteile in Bezug auf die Handhabbarkeit, die Komplexität und die Auswertungsdauer haben können. Letztlich kommt es darauf an, ein System zu wählen, das zu den eigenen Vorlieben und dem gewünschten Spielstil passt. Ob man nun lieber einen einzelnen W20 würfelt oder eine Handvoll Würfel gleichzeitig – das Wichtigste ist, dass die Würfelmechanik den Spielspaß unterstützt und zu einer spannenden und immersiven Spielerfahrung beiträgt.