Open Game License (OGL) in Pen-and-Paper-Rollenspielen: Ein umfassender Leitfaden

Open Game License (OGL) in Pen-and-Paper-Rollenspielen: Ein umfassender Leitfaden

Was ist die Open Game License (OGL)?

Die Open Game License (OGL) ist eine von Wizards of the Coast veröffentlichte öffentliche Lizenz, die es Dritten erlaubt, Inhalte und Regeln aus dem d20-System, das in der dritten Edition von *Dungeons & Dragons* verwendet wird, für eigene Pen-and-Paper-Rollenspiel (P&P RPG)-Produkte zu verwenden, zu modifizieren und zu verbreiten. Die OGL wurde im Jahr 2000 zusammen mit der dritten Edition von *D&D* eingeführt und hat die Rollenspiel-Landschaft nachhaltig verändert. Sie ermöglichte die Entstehung einer Vielzahl von Spielen und Erweiterungen, die auf dem d20-System basieren, und trug zur Popularisierung des Open-Gaming-Gedankens im Bereich der P&P RPGs bei.

Die Geschichte der OGL

Die Idee zur OGL entstand Ende der 1990er Jahre bei Wizards of the Coast, dem damaligen Herausgeber von *Dungeons & Dragons*. Das Unternehmen, das kurz zuvor TSR, den ursprünglichen Verlag von *D&D*, übernommen hatte, wollte mit der Veröffentlichung der dritten Edition von *D&D* einen neuen Ansatz wagen. Inspiriert von den Open-Source-Bewegungen in der Softwareentwicklung und dem Erfolg von Linux entschied man sich, die grundlegenden Spielregeln unter eine freie Lizenz zu stellen.

Die OGL wurde von Ryan Dancey, dem damaligen Brand Manager für *D&D*, maßgeblich vorangetrieben. Er sah darin eine Möglichkeit, die Community zu stärken, die Verbreitung des d20-Systems zu fördern und eine Vielzahl von Inhalten und Erweiterungen für *D&D* zu ermöglichen, die Wizards of the Coast selbst nicht produzieren könnte. Die OGL wurde zusammen mit dem System Reference Document (SRD) veröffentlicht, das die grundlegenden Regeln und Mechanismen des d20-Systems enthält, die unter der Lizenz verwendet werden dürfen.

Inhalt und Zweck der OGL

Die OGL ist eine relativ kurze und verständliche Lizenz, die es Dritten erlaubt, die im SRD definierten "Open Game Content" (OGC) zu verwenden, zu modifizieren und zu verbreiten, solange sie bestimmte Bedingungen erfüllen. Die wichtigsten Punkte der OGL sind:

  • Erlaubnis zur Nutzung: Die OGL erlaubt es, die im SRD enthaltenen Regeln, Mechaniken und Texte (soweit sie als OGC deklariert sind) für eigene kommerzielle und nicht-kommerzielle Rollenspielprodukte zu verwenden.
  • Keine Lizenzgebühren: Für die Nutzung der OGL müssen keine Lizenzgebühren oder sonstigen Zahlungen an Wizards of the Coast geleistet werden.
  • Kennzeichnungspflicht: Produkte, die unter der OGL veröffentlicht werden, müssen einen klaren Hinweis auf die Lizenz und die verwendeten OGC-Inhalte enthalten.
  • Keine Verwendung von "Product Identity": Die OGL erlaubt es nicht, bestimmte geschützte Inhalte von Wizards of the Coast zu verwenden, wie z. B. Produktnamen, Logos, Markenzeichen oder spezifische Bezeichnungen von Monstern, Charakteren oder Orten, die als "Product Identity" deklariert sind.
  • Gegenseitige Lizenzierung: Wer Inhalte unter der OGL veröffentlicht, muss diese Inhalte ebenfalls unter die OGL stellen, so dass sie von anderen weiterverwendet und modifiziert werden können.
  • Keine Garantie oder Haftung: Wizards of the Coast übernimmt keine Garantie für die Eignung oder Rechtssicherheit der OGL-Inhalte und haftet nicht für Schäden, die aus ihrer Verwendung entstehen.

Der Zweck der OGL war es, eine offene und kollaborative Rollenspiel-Szene zu fördern, in der verschiedene Verlage und Autoren auf einer gemeinsamen Regelbasis aufbauen und voneinander profitieren können. Die Lizenz sollte es ermöglichen, dass eine Vielzahl von Inhalten und Erweiterungen für das d20-System entstehen, ohne dass Wizards of the Coast die alleinige Kontrolle darüber hat.

Das System Reference Document (SRD)

Das System Reference Document (SRD) ist ein Dokument, das die grundlegenden Regeln, Mechanismen und Inhalte des d20-Systems enthält, die unter der OGL verwendet werden dürfen. Es ist sozusagen das Herzstück der OGL und definiert, was als "Open Game Content" gilt.

Das SRD umfasst unter anderem:

  • Die Grundregeln für die Charaktererschaffung, wie z. B. Attribute, Klassen, Völker, Fertigkeiten und Talente.
  • Die Regeln für Kampf, Schaden, Heilung und andere Aktionen im Spiel.
  • Die Regeln für das Wirken von Zaubern und die Beschreibung vieler Zaubersprüche.
  • Beschreibungen von Monstern, magischen Gegenständen und anderen Spielelementen.
  • Richtlinien für die Erstellung eigener Inhalte auf Basis des d20-Systems.

Das SRD ist nicht als eigenständiges Spiel gedacht, sondern als Grundlage für die Entwicklung eigener Spiele und Erweiterungen. Es enthält keine geschützten Inhalte wie z. B. die Namen bestimmter D&D-Charaktere, -Orte oder -Monster.

Vorteile der OGL

Die OGL hatte viele Vorteile für die Rollenspiel-Szene und die beteiligten Verlage:

  • Gemeinsame Regelbasis: Die OGL ermöglichte es verschiedenen Verlagen, auf einer gemeinsamen und weithin bekannten Regelbasis aufzubauen, was die Entwicklung neuer Spiele und die Konvertierung bestehender Spiele erleichterte.
  • Größere Produktvielfalt: Durch die OGL entstand eine riesige Menge an Inhalten und Erweiterungen für das d20-System, von neuen Klassen und Völkern über Abenteuer und Kampagnen bis hin zu kompletten Spielwelten.
  • Niedrige Einstiegshürde: Die OGL machte es auch kleinen und unabhängigen Verlagen möglich, eigene Rollenspielprodukte zu veröffentlichen, ohne ein komplett neues System entwickeln zu müssen.
  • Cross-Promotion: Die Verwendung des d20-Systems und der OGL ermöglichte es den Verlagen, von der Bekanntheit und Beliebtheit von *D&D* zu profitieren und gleichzeitig ihre eigenen Marken und Inhalte zu bewerben.
  • Community-Building: Die OGL förderte die Entstehung einer großen und aktiven Community von Spielern, Autoren und Verlagen, die sich über das d20-System austauschten, Inhalte erstellten und sich gegenseitig unterstützten.
  • Innovation: Die Möglichkeit, das d20-System zu modifizieren und zu erweitern, führte zu vielen kreativen und innovativen Ansätzen im Rollenspiel-Design.

Einfluss der OGL auf die Rollenspiel-Szene

Die Veröffentlichung der OGL und des d20-Systems gilt als einer der wichtigsten Meilensteine in der Geschichte der Pen-and-Paper-Rollenspiele. Sie hatte weitreichende Auswirkungen auf die Rollenspiel-Szene und die Art und Weise, wie Rollenspiele entwickelt, veröffentlicht und gespielt werden.

Einige der wichtigsten Auswirkungen der OGL waren:

  • Die "d20-Explosion": In den Jahren nach der Veröffentlichung der OGL entstanden unzählige Spiele, Erweiterungen und Abenteuer, die auf dem d20-System basierten. Viele Verlage, darunter auch Branchengrößen wie Paizo mit *Pathfinder*, nutzten die OGL, um eigene Produkte zu entwickeln und zu vermarkten.
  • Die Entstehung der Open-Gaming-Bewegung: Die OGL trug dazu bei, dass sich der Gedanke des Open Gaming und der freien Lizenzen in der Rollenspiel-Szene verbreitete. Sie inspirierte andere Verlage, eigene offene Lizenzen zu entwickeln, wie z. B. die *Fudge*-, *Fate*- oder *Powered by the Apocalypse*-Lizenzen.
  • Die Stärkung der Community: Die OGL förderte die Entstehung einer großen und aktiven Community von Spielern, Autoren und Verlagen, die sich über das d20-System austauschten, Inhalte erstellten und sich gegenseitig unterstützten.
  • Die Professionalisierung der Szene: Die OGL ermöglichte es vielen kleinen und unabhängigen Verlagen, professionell Rollenspielprodukte zu veröffentlichen und damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
  • Die Erweiterung des Marktes: Die durch die OGL ermöglichte Produktvielfalt trug dazu bei, den Rollenspielmarkt insgesamt zu erweitern und neue Spieler für das Hobby zu gewinnen.

Beispiele für Spiele unter der OGL

Es gibt hunderte von Spielen und Erweiterungen, die unter der OGL veröffentlicht wurden. Einige der bekanntesten und einflussreichsten sind:

  • Pathfinder: Ursprünglich als Weiterentwicklung von D&D 3.5 unter der OGL gestartet, ist *Pathfinder* mittlerweile zu einem eigenständigen und sehr erfolgreichen System geworden, das in vielerlei Hinsicht mit *D&D* konkurriert.
  • Mutants & Masterminds: Ein Superhelden-Rollenspiel, das auf dem d20-System basiert und unter der OGL veröffentlicht wurde.
  • Star Wars Roleplaying Game (Saga Edition): Die von Wizards of the Coast veröffentlichte *Star Wars*-Umsetzung des d20-Systems, die ebenfalls unter der OGL steht.
  • d20 Modern: Ein Ableger des d20-Systems für moderne Settings, der auch für Subgenres wie Urban Fantasy oder Agententhriller verwendet werden kann und unter der OGL veröffentlicht wurde.
  • True20: Eine vereinfachte und generische Variante des d20-Systems, die ebenfalls unter der OGL steht.
  • 13th Age: Ein Fantasy-Rollenspiel, das Elemente des d20-Systems mit narrativen Mechaniken kombiniert und unter einer eigenen, von der OGL inspirierten Lizenz steht.

Darüber hinaus gibt es viele weitere Spiele in den verschiedensten Genres, die die OGL nutzen, von historischen Rollenspielen über Horror bis hin zu Science-Fiction.

Die Kontroverse um die OGL 1.1

Im Jahr 2023 versuchte Wizards of the Coast, eine neue Version der OGL (Version 1.1) einzuführen, die deutlich restriktiver gewesen wäre als die ursprüngliche OGL 1.0a. Diese neue Lizenz hätte unter anderem folgendes umfasst:

  • Eine Rücknahme der unbefristeten und unwiderruflichen Autorisierung der OGL 1.0a.
  • Eine Meldepflicht und Gewinnbeteiligung für Projekte, die einen bestimmten Umsatz überschreiten.
  • Eigentumsrechte seitens Wizards of the Coast an Inhalten, die unter der neuen Lizenz erstellt werden.
  • Einschränkungen in Bezug auf die Art der Inhalte, die unter der OGL veröffentlicht werden dürfen.

Dieser Versuch stieß auf massiven Widerstand in der Rollenspiel-Community und führte zu einem beispiellosen Protest von Spielern, Autoren, Verlagen und anderen Branchenakteuren. Viele warfen Wizards of the Coast vor, die Offenheit und den kollaborativen Geist der OGL zu verraten und die Existenz vieler kleiner Verlage und unabhängiger Schöpfer zu bedrohen.

Unter dem Druck der Community und nach einem erheblichen Imageverlust zog Wizards of the Coast die Pläne für die OGL 1.1 schließlich zurück und bekräftigte das Unternehmen seine Unterstützung für die ursprüngliche OGL 1.0a. Darüber hinaus wurde ein großer Teil des SRD unter die Creative Commons Lizenz gestellt, was bedeutet, dass die Inhalte nun von jedem frei verwendet werden können, ohne an die Einschränkungen der OGL gebunden zu sein.

Diese Kontroverse hat die Bedeutung von offenen Lizenzen und die Macht der Community in der Rollenspielszene deutlich gemacht. Sie hat aber auch gezeigt, wie fragil und umkämpft der rechtliche Rahmen sein kann, auf dem ein großer Teil der P&P RPG-Landschaft basiert.

Fazit

Die Open Game License (OGL) war und ist ein Meilenstein in der Geschichte der Pen-and-Paper-Rollenspiele. Sie hat die Art und Weise, wie Rollenspiele entwickelt, veröffentlicht und gespielt werden, grundlegend verändert und die Entstehung einer vielfältigen und lebendigen Rollenspiel-Szene ermöglicht. Die OGL hat den Weg für eine beispiellose Vielfalt an Inhalten, Systemen und Spielstilen geebnet und die Kreativität und das Engagement der Rollenspiel-Community gefördert. Obwohl die Zukunft der OGL nach der Kontroverse um die Version 1.1 zeitweise ungewiss war, bleibt die ursprüngliche OGL 1.0a weiterhin in Kraft und wird von vielen Verlagen und Spielern als Grundlage für neue und innovative Rollenspielprojekte genutzt. Die OGL ist damit ein lebendiges Beispiel dafür, wie offene Lizenzen und die Zusammenarbeit innerhalb einer kreativen Community zu etwas Großem und Einzigartigem führen können.